
Prinz Pi
Friedrich Kautz wird geboren im geteilten Berlin und wächst in den 80er Jahren im amerikanischen Sektor auf. Er saugt die mitgebrachte Konsumkultur aus Amerika auf wie ein Schwamm: Die Musik von Michael Jackson und Prince, die Nike Turnschuhe, Fast Food und die flächendeckende Begeisterung für Sport und die dazugehörige Kleidung. Nach dem Fall der Mauer gibt es in seinem jugendlichen Kopf bald nur noch eines: Hiphop. Seine erste Liebe ist Graffiti. Das Gefühl der Ohnmacht in diesen Jahren, wo alle Macht bei Erwachsenen, speziell den Lehren, Polizisten und Eltern liegt, lässt sich durch Selbstermächtigung immerhin etwas überwinden.
Das Wort „Empowerment“ ist damals noch nicht gebräuchlich, aber Friedrich Kautz und seine Freunde machen genau das, wenn sie die Stadt mit jedem Stück Mauer für sich erobern. Sie stecken ihre Welt ab, messen ihre Kräfte mit dem Gegendruck von Eltern und Staatsmacht – und lernen Triumphe und Niederlagen gleichermaßen zu bewältigen. Irgendwann gewinnt dann das Wort. Friedrich Kautz liest und liest, die lateinischen und griechischen Originaltexte in der Schule mit Widerwillen, die Autoren, die seine Eltern nicht kennen, mit Lust, die großen Bücher sowieso. Und als er vor der Entscheidung steht, was er nun aus seinem Leben machen soll, ob er zu einem Schriftsteller werden soll, da denkt er an einen anderen, einen neuen Weg. Und so beschließt er, keine Bücher, sondern Songs zu schreiben. Das macht er bis heute.
Doch die Welt hat sich in den letzten Jahren geändert: Corona, Krieg, aufbrechende Risse in der Gesellschaft. Prinz Pi hat mitgeschrieben, alles versucht zu ordnen und macht das, was er am besten kann: Er kondensiert präzise Beobachtungen in klare, greifbare Songs. So richtig mittendrin und dabei war er nie: Zu kauzig und eigen für den Mainstream, aber auch zu normal für die extremen Ecken. Zwischen den Stühlen muss man stehen, und das tut er seit Jahren auf den großen Festivals und Bühnen. Mit „ADHS“ ist er nun nach zwei Jahren zurück mit einem Album, das zeigt, was Rap jenseits von Playlisten kann. Cool ohne Haltbarkeitsdatum, bissig ohne den Zeigefinger des sich moralisch überlegen Fühlenden. Das große Thema ist das Leben als Mensch mit all seinem Gepäck, den Schäden aus Kindheit, Jugend und toxischen Beziehungen und dem Ausdefinieren des eigenen Vater- und Mannseins.
In den sechs Minuten des ersten Single-Vorbotens „1995“ eröffnet uns Prinz Pi die komplette Welt seiner Kindheit und Jugend. Er setzt alles zusammen zu einem Panoramabild, man kann die schmutzige Luft der U-Bahnstationen riechen, die weiche Sohle der Nikes auf dem Beton der Brücken spüren und sieht zehn Jahre im Zeitraffer an sich vorbeiziehen. Es ist inmitten der 90er-Jahre in Berlin, Jugendliche aus allen Bezirken prallen im Nahverkehrssystem aufeinander, Aggressionen entladen sich, die Tristesse und die vielen Sackgassen sind noch nicht sichtbar für die Augen der Kids, über allem liegt ein neues Lebensgefühl mit einem neuen Sound und so etwas wie Hoffnung. „Weil ich nie Kohle hatte hab ich nie gechillt, weil ich Depressionen hatte gaben sie mir Pillen / ich habe ihn gedreht, mein Budget war nur mein Willen.“
Booking:
Steffen Posner
Management:
Stand in Front